BGH: Anpassung der Miete bei Wohnflächenabweichung unter Berücksichtigung der Kappungsgrenze Mietrecht & Wohnungseigentumsrecht, Allgemeines Vertragsrecht

BGH: Anpassung der Miete bei Wohnflächenabweichung unter Berücksichtigung der Kappungsgrenze

Sachverhalt:

Der Mieter schloss einen Wohnraummietvertrag, in dem die Wohnfläche seit 1985 mit 156,95 m² angegeben war. Tatsächlich betrug die Wohnfläche jedoch 210,43 m². Erst im Jahr 2013 ergab ein Aufmaß die tatsächliche Wohnfläche, woraufhin die Vermieterin die Zustimmung zu einer Erhöhung der Bruttomiete von bisher 629,75 Euro auf 937,52 Euro verlangte.

Die Vermieterin war der Ansicht, die Mieterhöhung entspreche einer Anpassung der Miete an die tatsächliche Wohnfläche, welche die vertraglich vereinbarte um 33,95 % überschreite. Zusätzlich sei gem. § 558 BGB eine Anhebung der Miete um 15% ausgehend von der bereits angepassten Miete, also iHv 94,46 Euro zulässig. Der Vermieter stimmte nur einer Mieterhöhung iHv nur 94,46 Euro zu.

Entscheidung:

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 18.11.2015 – VIII ZR 266/14 richtet sich ein vorzunehmender Abgleich der begehrten Mieterhöhung mit der ortsüblichen Vergleichsmiete ungeachtet einer abweichenden Wohnflächenangabe im Wohnraummietvertrag allein nach der tatsächlichen Größe der vermieteten Wohnung. Eine Anpassung der Miete kann jedoch nur im Rahmen der Kappungsgrenze des § 558 III BGB erfolgen. Demnach ist für die Bemessung der zulässigen Mieterhöhung dann ausschließlich die tatsächliche Miete maßgeblich. Unterschreitet hingegen die tatsächliche Wohnfläche die vereinbarte Wohnfläche um mehr als 10%, so liegt ein erheblicher Mangel iSd § 536 I 1 BGB vor, welcher eine Mietminderung begründet. Begründung: Der Vermieter kann die Miete grundsätzlich nur durch Vereinbarung mit dem Mieter oder unter den Voraussetzungen der §§ 558, 559 BGB erhöhen. Dabei kann er die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete – wie hier – in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit fünfzehn Monaten unverändert ist. Bei der Bemessung der Miete ist zu berücksichtigten, dass die im Wohnraummietvertrag angegebene Wohnflächenangabe eine vertragliche Sollbeschaffenheit der Mietsache darstellt. Liegt die tatsächliche Wohnfläche mehr als 10% unter der vertraglich vereinbarten Wohnfläche, liegt ein zur Minderung der Miete führender Mangel der Wohnung iSd § 536 I 1 BGB vor.

Im Hinblick auf die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete jedoch bleibt die vertragliche Sollbeschaffenheit unberücksichtigt. Das Gericht rückt nun von der bisherigen Rechtsprechung ab, die eine Abweichung von bis zu 10% bei der Wohnfläche für unbeachtlich hielt. Die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete richtet sich nunmehr ausschließlich nach dem objektiven Wohnwert. Dem Vermieter soll zwar im Rahmen einer wirtschaftlichen Vermietung weiterhin ermöglicht werden, eine am Markt orientierte Miete zu erzielen. Es soll jedoch vermieden werden, dass einzelne Vermieter durch Vereinbarung einer fiktiven Beschaffenheit eine Mietanpassung zu Ihren Gunsten vorab beeinflussen. Eine Anpassung an die ortsüblichen Vergleichsmiete kann, sofern nichts anderes vereinbart ist, deshalb nur aufgrund objektiv messbarer Vergleichswerte erfolgen, z. B. Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage der Wohnräume, nicht aber aufgrund der vertraglich bestimmten Sollbeschaffenheit. Liegt die Wohnfläche im Wohnraummietvertrag unter der tatsächlichen Größe ist – wie auch hier – nicht automatisch davon auszugehen, dass künftige Mieterhöhungen teilweise ausgeschlossen oder begrenzt werden sollen. Ein bewusster Ausschluss iSv § 557 BGB liegt nur ausnahmsweise vor, wenn bei einer Gesamtschau der Umstände besondere Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Wohnfläche bewusst und gewollt im Sinne eines Feststellungsvertrags in geringerem Maß vereinbart wurde. Der Mieter muss demnach mit einer stufenweise Anpassung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete rechnen, nicht aber mit einer darüber hinausgehenden einseitige Mieterhöhung. Ob eine Mieterhöhung zulässig ist, ist zu bemessen an der örtlichen Vergleichsmiete, der Jahressperrfrist, der fünfzehnmonatigen Wartezeit und insbesondere auch der Kappungsgrenze des § 558 III BGB. Diese richtet sich hier zugunsten des Mieters nach der tatsächlichen Miete zum Stichtag der begehrten Mieterhöhung. Auch eine allein subjektiv empfundene Störung der Geschäftsgrundlage kann zur weitergehenden Korrektur der Miete nicht herangezogen werden. Soweit es dem Vermieter möglich ist, den Stand der ortsüblichen, kostendeckenden Vergleichsmiete mit Rücksicht auf die Kappungsgrenze und die Sperrfrist in absehbarer Zeit – wie hier – zu erreichen, gilt der verfolgte Zweck nicht als grundlegend verfehlt. Außerdem ist die zutreffende Ermittlung der Wohnfläche in der Risikosphäre des Vermieters zu verorten, so dass bereits deshalb keine Korrektur der Miete nach § 313 I BGB erfolgen kann.

(Joachim König, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet-und Wohnungseigentumsrecht, Ines-Ria Wenk, Rechtsreferendarin)