OLG Saarbrücken: Unebenheiten und Niveauunterschiede auf Straßen für Fußgänger

OLG Saarbrücken zum Verkehrsrecht

von Jürgen Zimmermann, Rechtsanwalt

Zusammenfassung:

1. In Bezug auf die Frage, in welchem Umfang Fußgänger Unebenheiten und Niveauunterschiede auf Straßen, Plätzen und Gehwegen hinnehmen müssen, ist für schematische Betrachtungen und starre Grenzen in der Regel kein Raum.

2. Vielmehr ist die Gefährdung des Verkehrs immer im Zusammenhang mit den konkreten Umständen der Örtlichkeit zu sehen und im Hinblick darauf die Frage zu beurteilen, ob die konkrete Gefahrenquelle eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Trägers der Straßenbaulast begründet.

OLG Saarbrücken, Urt. v. 26.11.2015 – 4 U 110/14

Das OLG ist der Ansicht, dass das Erstgericht im Hinblick auf die Haftung der öffentlichen Träger für Verkehrssicherungspflichten von den richtigen Grundsätzen ausgegangen ist, diese jedoch im Einzelfall fehlerhaft angewandt wurden. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht wird von Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges entscheiden bestimmt. Dazu hat das LG festgestellt, dass es sich bei dem Unfallort um eine für den Fußgängerverkehr wesentlich Straße handelt, die sehr stark frequentiert wird. Diese Tatsache und das sich aus den Akten ergebende Erscheinungsbild sowie die Beschädigung des Bordsteins reichen alleine jedoch nicht aus, um eine Verkehrssicherungsplichtverletzung durch die Beklagte anzunehmen. Das OLG geht dagegen, aufgrund von zuverlässiger Ortskunde und der Kenntnis von der vorherrschenden Beleuchtungssituation, davon aus, dass an der konkreten Unfallstelle zu der behaupteten Uhr- und Jahreszeit der Ausfall des Bordsteins für einen aufmerksam Fußgänger des Gehwegs bei der gebotenen Aufmerksamkeit ohne weiteres erkennbar war, und dass ein Ausweichen nach links ohne Mühe möglich und beherrschbar gewesen wäre. Das OLG meint, dass auf die Frage, in welchem Umfang Fußgänger Unebenheiten und Niveauunterschiede auf Straßen, Plätzen und Gehwegen hinnehmen müssen, für schematische Betrachtungen und starre Grenzen in der Regel kein Raum ist. Vielmehr muss unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls geprüft werden, ob ein verkehrsunsicherer Zustand vorliegt. Ein für sich alleine genommener unerheblicher Höhenunterschied kann im Einzelfall durch das Zusammenwirken mit anderen Umständen einer Verkehrssicherungspflicht auslösen. Umgekehrt kann auch ein erheblicherer Höhenunterschied hinnehmbar sein, wenn die Unfallstelle im Übrigen aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls als erkennbar und ohne große Mühe beherrschbar einzustufen ist. In der Konsequenz darf nicht lediglich auf den Höhenunterschied oder das Ausmaß der Beschädigung abgestellt werde; vielmehr ist die hierdurch bedingte Gefährdung des Verkehrs immer im Zusammenhang mit den übrigen konkreten Umständen der Örtlichkeit wie bspw. deren Verkehrsbedeutung, der Beleuchtungssituation und der genauen Lage der Schadstelle im Verkehrsweg, zu betrachten und im Hinblick darauf die Frage zu beurteilen, ob die konkrete Gefahrenquelle eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Trägers der Straßenbaulast begründet.